Gerne greife ich die Frage von „Der Hobbyinvestor“ (https://hobbyinvestor.de/aufruf-zur-blogparade-soziale-gerechtigkeit/#comment-275) auf. Er hat dazu eine Blogparade angestoßen.
Hierzu möchte ich zunächst die ergänzende Frage stellen:
Wie würde denn gemeinhin eine faire und gerechte Welt aussehen ?
Alle Menschen sind gleich. Hinsichtlich Hautfarbe, Haarfarbe, Augenfarbe. Jeder Mensch wird gleich geboren, sieht gleich aus, hat die gleichen Voraussetzungen aufzuwachsen, in einer gesunden, fürsorglichen Umgebung. Jeder Erwachsene kümmert sich auf die gleiche Art und Weise um das Kind. Kein Kind braucht sich Sorgen zu machen über Gewaltausbrüche, Verletzungen, mangelnde Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten. Jeder Heranwachsende bekommt eine Ausbildungs- und Arbeitsplatzgarantie. Auch für die gerechte Fortpflanzung ist gesorgt. Keiner fühlt sich bei der Partnerwahl benachteiligt, denn es gibt ja nur eine Art von Partner. Fehlende optische oder persönliche Unterschiede bzw. Eigenschaften schließen eine Benachteiligung Einzelner aus. Die Gemeinschaft kümmert sich umeinander. Jeder ist für jeden da. Allen geht es gleich gut. Keiner wird benachteiligt. Jeder wird gleich, fair und gerecht behandelt.
Ist das eine faire und gerechte Welt? Oder eher eine Horrorvorstellung, wie wir sie aus düsteren Science-Fiction-Filmen der Gleichschaltung von Gesellschaften von Zeit zu Zeit im Fernsehen bzw. im Stream zu sehen bekommen?
Natürlich sind wir – im meine: zum Glück – in der Realität ein gutes Stück von diesem Szenario entfernt. Möglicherweise kann man auch sagen oder behaupten, dass wir tatsächlich in einer diametral entgegengesetzten Welt leben.
Aber lasst uns das mal beobachten:
Was spricht also dafür, dass wir in einer unfairen und ungerechten Welt leben ?
Jeder Mensch ist anders – hinsichtlich Herkunft, Aussehen, Verhalten und Einstellung. Manche Menschen werden mit körperlichen Einschränkungen geboren, die Menschen werden in unterschiedliche Kulturkreise, unterschiedliche Länder, unterschiedliche Vermögens- und Einkommenverhältnisse bzw. –mögilchkeiten geboren. Eltern haben unterschiedliche Auffassungen von Erziehung. Manchmal geht es etwas rabiater zu, manche Eltern lassen den Kinder alles durchgehen. Kinder werden durch diese unterschiedlichen Erziehungsmethoden geprägt. Manche Kinder müssen frühzeitig hart arbeiten, früh heiraten. Andere Kinder und Jugendliche haben alle Freiheiten der Welt – und müssen sich im Zweifel für gar nichts entscheiden. Jeder Mensch kümmert sich selbst um seine Ausbildung, seinen Arbeitsplatz und sein berufliches und persönliches Fortkommen. Auch muss sich jeder selbst um die Gründung einer Partnerschaft und einer Familie kümmern. Hierbei hat nicht jeder Mensch die gleichen Möglichkeiten, eine geeignete bzw. gewünschte Partnerin zu finden. Unterschiede in den Vermögensverhältnissen sind im weltweiten Vergleich eklatant. Manche Menschen verdienen in einer Minute durch Nichtstun mehr als andere Menschen in einem ganzen Jahr durch harte körperliche Arbeit verdienen können. Jeder Mensch wird individuell behandelt, jeder Mensch ist anders, nicht jeder Mensch hat die gleichen Chancen.
Ist das eine unfaire und ungerechte Welt ? Ist das der reale und tagtägliche Horror ?
Ich meine, dass es abzuwägen gilt:
Es spricht viel dafür, dass wir als Gesellschaft und jeder einzelne Mensch für sich große Vorteile aus Individualität, Einzigartigkeit und Freiheit ziehen können.
Es spricht viel dafür, dass Leistungsfähigkeit, Einsatzwille und Beständigkeit belohnt werden können. Selbständigkeit und Eigenmotivation sollte unterstützt werden.
Erhebliche und sich verstärkende Ungleichgewichte, die dadurch entstehen – oder bereits aus der Vergangenheit bzw. von Geburt aus angelegt sind – müssen durch soziale Leistungen der Gesellschaft teilweise ausgeglichen werden können.
Im Ergebnis könnte daher ein Idealbild einer fairen und gerechten Welt wie folgt aussehen:
Jeder Mensch ist anders und individuell.
Jeder Mensch wird in Freiheit geboren und hat alle Möglichkeiten, sich zu entwickeln.
Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten der Menschen sind – im Rahmen der individuellen körperlichen und geistigen Möglichkeiten sowie des sozialen Umfelds – keine Grenzen gesetzt.
Leistung wird belohnt.
Jeder Mensch hat – unabhängig von seiner persönlichen Leistungsfähigkeit – das Recht auf angemessene Lebensumstände.
Zusammenfassung
Unsere Welt lebt von der Individualität und der Freiheit jedes einzelnen Menschen. Denn nur dadurch entwickelt sich die Welt weiter.
Der Leistungswille, der Wunsch nach dem nächsten Schritt der Weiterentwicklung und das unablässige Streben nach dem Menschenmöglichen hat unsere Gesellschaft dahin entwickelt, wo wir gerade gestehen. Und diese Eigenschaften werden uns weiter tragen.
Allerdings ergeben sich aus dieser Struktur Ungleichgewichte, die wir als Gesellschaft auffangen müssen. Ungleichgewichte sind nicht notwendigerweise Ungerechtigkeiten. Aber Ungleichgewichten können sich teilweise aus Ungerechtigkeiten entstehen, die wiederum aus unterschiedlichen Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten oder fehlenden Fähigkeiten bzw. Möglichkeiten resultieren, seine Freiheiten produktiv einzusetzen.
Daher muss perspektivisch daran gearbeitet werden, dass jeder Mensch die Möglichkeit erhält, sich im Rahmen seiner Fähigkeiten zu entwickeln. Darüber hinaus sollten jedem Menschen die seinem Kulturkreis angemessenen Lebensumstände angeboten werden. Dieses Leistungsangebot wird in der Regel durch Sozialleistungen erfolgen oder zumindest unterstützt werden müssen, die wiederum von der Gesellschaft getragen werden. Zu große Ungleichgewichte können nicht im Sinne unserer Gesellschaft sein, denn sie zerstören genauso den Zusammenhalt der Gesellschaft wie eine fehlende Freiheit oder Individualität des Einzelnen.
Im Ergebnis bin ich der Überzeugung, dass wir derzeit in einer Welt leben, die viele gute Ansätze von Fairness und Gerechtigkeit in sich trägt. Damit will ich nicht sagen, dass es durchgehend fair und gerecht zu geht. Grundsätzlich sind jedoch die Rahmenbedingungen gegeben, auf denen eine möglichst faire und gerechte Welt sinnvoll aufbauen kann.
Allerdings müssen wir gemeinsam weiterhin Tag für Tag daran arbeiten, dass wir die Welt – jede Ecke der Welt – noch ein klein wenig gerechter und fairer machen können.