Warum gibt es – auf der Grundlage einer klassischen, historisch geprägten Argumentation – den öffentlich-rechtlichen Rundfunk überhaupt noch?
Hierzu verweise ich auf den Beitrag von Tabea Rößner (https://www.boell.de/de/2017/04/27/argumente-fuer-den-oeffentlich-rechtlichen-rundfunk). In ihrem Plädoyer für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk stellt sie dar, warum es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach einer vielfach vorgebrachten, ich nenne sie „klassischen“ Argumentation gibt. Sie verweist auf den öffentlichen Auftrag der Rundfunkanstalten und auf die verfassungsrechtlich abgesegneten Ansprüche auf eine Grundversorgung der Bürger. Hierbei stellt sie ab auf die Notwendigkeit und den Anspruch der Gesellschaft, den Bürgern ein breites kulturelles Angebot nachhaltig bereitstellen zu können. Damit würden die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auch eine gesellschaftliche Aufgabe erfüllen. Ich möchte die Argumentation nicht wiederholen, im Kern ist hierzu seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts ausreichend viel gesagt worden.
Welche Konsequenzen hat es, dass es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch gibt ?
Hauptsächliche Konsequenz für jeden Bürger aus der Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: er kostet jeden Bürger, der in seiner Wohnung ein Rundfunk-Abspielgerät hat (heute noch – aus Gründen der Klarheit – „Fernseher“ oder „Radio“ genannt) oder im Auto ein sog. „Radio“ verfügbar hat, einen relevanten Betrag in Euro im Monat, unabhängig von der tatsächlichen Nutzung. Man kann hier mit Fug und Recht von einer Zwangsabgabe sprechen, denn kaum jemand kann sich heutzutage dieser Abgabe entziehen, da zumindest ein Auto-Radio noch relativ weit verbreitet und fest installiert ist – auch wenn es in den Autos teilweise kaum noch genutzt wird. In jedem Fall handelt es sich nicht um eine nutzungsabhängige Abgabe, mithin auf keinen Fall um eine wirtschaftliche Abgabe. Sofern man die Auffassung verträte, es handelte sich hier um ein öffentliches Gut, welches nur vom Staat zur Verfügung gestellt werden kann, könnte man im Ergebnis sagen, es handelt sich um eine staatliche Abgabe. Allerdings trägt dieses Argument hier auch nicht. Denn gleich komme ich darauf zu sprechen, warum es sich bei Rundfunk eben nicht (mehr) um ein öffentliches Gut handelt, welches aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen zentral von einem staatlichen Anbieter zur Verfügung gestellt werden müsste.
Warum brauchen wir keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk mehr ?
In früheren Jahrzehnten – vor allem im letzten Jahrhundert – mag es gerechtfertigt gewesen sein, von einem öffentlichen Gut zu sprechen im Zusammenhang mit der Versorgung der Gesellschaft mit einem – oder mehreren – Rundfunksignalen. Damals gab es kaum Rundfunksender bzw. Fernsehsender. Der Aufbau einer eigenen Infrastruktur wäre privaten Sendern womöglich auch zu schwierig und zu teuer gewesen. Daher war es damals durchaus nachvollziehbar, zur Informationsversorgung der breiten Bevölkerung – Stichwort: Grundversorgung – entsprechende Sender / Rundfunkanstalten zentral und staatlich unterstützt als sog. öffentliches Gut auszurollen und anzubieten. Mithin konnte damit sichergestellt werden, dass neue Informationen und Erkenntnisse schnell und zuverlässig breiten Bevölkerungsschichten zugänglich gemacht werden. Die damals neue Technologie des Rundfunks, später des Fernsehens, konnte damit zügig mit Inhalten gefüllt werden und sich schnell in der Gesellschaft ausbreiten. Dass eine Finanzierung durch eine Abgabe stattfindet, ist ebenfalls – auch aus ökonomischen und gesellschaftlichen Gründen – sofort nachvollziehbar.
Diese Argumente sind aber heute vollständig entfallen. Es mag zwar aus rein politischen Gründen Argumente geben, die Rundfunkanstalten zu erhalten. Ich denke da vorwiegend an lokale Arbeitsplätze, Standorte, Gremiensitze, und insbesondere gut bezahlte Posten für verdiente Politiker in Verwaltungsräten, Beiräten und Vorständen.
Rein wirtschaftlich, sozial, kulturell, technologisch und gesellschaftlich betrachtet haben sich die Rahmenbedingungen allerdings so stark verändert, dass die damaligen Argumente, ein solches öffentliches Gut zu schaffen, nicht mehr tragen. Die Grundversorgung der Bürger mit Informationen und kulturellen Inhalten ist durch die Vielzahl an Medien, auch sozialen Medien (social media), in einer solchen Breite, Vielfalt und Tiefe ermöglicht und sichergestellt, dass ein öffentlicher Auftrag an einen öffentlichen Träger komplett ins Leere geht. Die Rundfunkanstalten suchen ja selbst nach einer Daseinsberechtigung – und finden sie möglicherweise selbst in der Übertragung großer Sportveranstaltungen und Unterhaltungssendungen. Dafür braucht es aber keinen öffentlich-rechtlichen Auftrag. Vergleichbare – und vielfach bessere – Angebote liefern private Rundfunkanstalten, Pay-TV und/oder Streaming-Dienste – frei Haus, bzw. nutzungsabhängig oder gegen den Konsum von Werbung oder die Bereitstellung eigener Daten. Daher sind heutzutage Zwangsabgaben für die Bereitstellung eines so einfach für jeden zugänglichen Gutes in keinster Weise mehr gerechtfertigt. Die GEZ-Gebühren gehören daher ersatzlos abgeschafft. Jeder Bürger sollte vielmehr selbst entscheiden dürfen, welche Medien er bzw. sie in welchem Umfang konsumiert – und bezahlt, entweder mit Geld oder mit der Freigabe eigener Daten.
Es ist auch kein Argument mehr, dass die Breite der Informationen nicht hinreichend gewährt wäre durch die ausschließlich private Bereitstellung von Rundfunk/Fernsehen. Vielmehr muss man im Gegenteil feststellen, war die Tiefe und Breite von verfügbaren Informationen in jeglicher Art von Qualität und Quantität mit der Verfügbarkeit des Internets noch nie so ausgeprägt wie heute. Mit einer leistungsfähigen Datenleitung fragt heute keiner mehr, ob am jeweiligen privaten Standort eine Sendefrequenz von ARD und ZDF verfügbar ist. Das braucht man heute schlichtweg nicht mehr. Die „digital natives“ von heute nutzen daher auch kaum noch Fernsehen (Stichwort: netflix & Co.). Noch vor 20 Jahren war es Teil des Erwachsenwerdens, einen eigenen Fernseher in das eigene Zimmer zu bekommen. Heute würde so ein Teil im Kinder- bzw. Jugendzimmer nur noch Platz wegnehmen. Warum sollte irgendjemand heute auch noch einen Fernseher oder ein Radio benötigen, wenn er oder sie über ein Smartphone, ein Tablet oder einen Computer verfügt?
Bringt ARD und ZDF an die Börse!
Wenn die öffentliche Notwendigkeit also nun eindeutig entfallen ist, einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufrecht zu erhalten, stellt sich die Folgefrage: Was machen wir mit den Riesenmolochen ARD und ZDF? Denkbare Antwort: Zerschlagen. Andere denkbare Antwort: Privatisieren. Ich denke, die zweite Antwort wäre politisch noch eher vertretbar, daher gehe ich nur auf diese Antwort ein. Denn ohne die Politik kann das Thema nicht weiterentwickelt werden: Der öffentliche-rechtliche Rundfunk befindet sich komplett in politischer Hand. Die Politik könnte in einer Privatisierung einen gewissen Charme erkennen. Bei einer solchen Privatisierung wäre ein Börsengang der beiden Anstalten ein möglicher Weg. Dazu müsste natürlich zunächst mal aufgeräumt werden. Denn es müssten effiziente, privatwirtschaftliche Strukturen geschaffen werden. Es müssten darüber hinaus – nach dem Wegfall der Zwangsabgabe GEZ – alternative Einnahmeströme aufgebaut werden. Die Gesellschaften bräuchten eine so genannte „equity story“: Das heißt, womit können die Gesellschaften künftig den Nutzern einen wirklichen Nutzen, einen Mehrwert stiften und damit Geld verdienen. Spannende Fragen, die entweder in ein neues Geschäftsmodell münden könnten – oder auch die Auflösung der Strukturen erzwingen könnten. Beides aber sind zumindest wirtschaftlich sinnvolle Konsequenzen, die dabei beide den Wunsch nach kultureller Vielfalt in der Informationsbereitstellung und –Versorgung nicht untergraben. Denn es gibt aus heutiger Sicht quantitativ und qualitativ genügend Alternativen.
Viele Grüße
Andreas
P.S. Was hältst Du von einer Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Sender? Wie ist Dein aktuelles Nutzungsverhalten bezogen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk?